Frau Dr. Licht und MdM haben drei Stunden zusammen im Museum verbracht und natürlich viel mehr Werke „besprochen“ als es hier möglich ist vollständig zu beschreiben. Hängen geblieben ist dabei, dass gerade die Zweierkombination eine schöne Möglichkeit ist, Kunst gemeinsam „aufzuschlüsseln“. Wenn dabei Intuition und Wissen zusammenkommen, verlässt man den Ort „Zeitgenössisches Kunstmuseum“ mit einer wohltuenden Erschöpfung, die über viele neue Eindrücke und Erkenntnisse Inspirationen für nicht nur die eigene Arbeit bietet, sondern darüber hinaus für eine geschärfte Weltsicht sorgt.

Werkkommentar Frau Dr. Licht:

„Das ist im wörtlichem Sinne „ver-rückt“. Ich mag das schon, dass dem was war, eine neue Dimension, ein neues Leben gegeben wird. Aber das hier ist mir einfach einen Tick zu viel. Es hat etwas von einem Abenteuerspielplatz, aber ein Bisschen deprimiert es mich auch. Es ist eine Spur zu viel Gewesenes, was uns ja ausmacht, aber irgendwie fehlt mir da die Hoffnung mit eingewoben. Bei der Werkbank ganz hinten fühle ich mich schon wohler, das lädt ein, selbst Hand anzulegen und „Neues“ zu erschaffen.“


Während des Gesprächs lehnten die beiden TKMler gegen eine Werkbank, bis eine Ordnerin kommt und bestimmt darauf hinweist: „Nicht anlehnen, Abstand halten!“. MdM erklärt darauf, warum das Museum gerade aus dem Fokus der „Unberührbarkeit“ eigentlich eine Art Friedhof für Objekte sei, die ihre Funktionalität im Alltag verloren hätten und deshalb zur Ruhe gesetzt und nicht mehr berührt werden dürften und warum der „Kurator“ im wörtlichen Sinne der „Heiler“ der Kunst vor dem Vergessen sei, denn nur durch ihn käme die Kunst aus dem Archiv (Kühlschrank) für limitiere Zeit in die Ausstellung (Aufbahrungshalle), bevor sie (vielleicht für immer) in die Katakomben des Museums verschwindet.

MdM wollte Frau Dr. Licht ein ganz bestimmtes Werk der Ausstellung zeigen: „Garteninstallation“ von Dieter & Björn Roth. Frau Dr. Licht plant für die finale TKM-Ausstellung in der Galerie M im Oktober eine fulminante Rauminstallation. Da werden Materialien und Objekte aus der Natur mit Objekten und Materialien aus der Zivilisation konfrontiert und ineinander verschränkt, ja das Wesen des Einen über das Wesen des Anderen „manipuliert“. In diesem Kontext erscheint die „Garteninstallation“ als interessantes Beispiel einer prozesshaften Langzeitarbeit, die eng mit dem Leben und dem direkten Umfeld der Künstler verflochten ist.

Das Werk „I think this is a pine tree“ von Katharina Grosse erweckte nicht nur die besondere Aufmerksamkeit von Frau Dr. Licht (Bäume sind ihr Thema). Dieses Kunstwerk scheint auch ein attraktiver Hintergrund für die obligatorischen „Selfies“ der MuseumsbesucherInnen zu sein.

Werkkommentar Frau Licht: „Die Bäume sind entwurzelt und im Nachhinein noch geschändet, besudelt worden.“ Man unterhält sich über die zerstörerische Einwirkung der Zivilisation auf die Natur. MdM weist darauf hin, dass die Regenbogenfarben ja auch die Farben der Naturschützer sei und fragt, was diese ungewöhnliche Verkreuzung als Interpretation wohl bedeuten könnte.

Das Spiralenmodell des Künstlers Richard Jackson mit dem Titel „Untitled“ (es fällt auf, dass die meisten der in der Ausstellung sich befindlichen Werke den Titel „Unbetitelt“ tragen) fasziniert. Wellpappe als „banales“ Material wurde zur Herstellung einer geometrischen Form verwendet, die wie ein Modell für ein futuristisches Hochhaus anmutet. Könnte man sich so einen zukünftigen Plattenbau vorstellen? Wie wäre es, wenn ein solches Bauvorhaben in Marzahn lanciert werden würde? Runde statt quadratische Formen, lässt sich darin leben? Interessanterweise entdeckt Frau Dr. Licht aus gewisser Distanz der Betrachtung die Form eines Kreuzes, das aus einem ganz bestimmten Blickwinkel im Gebilde erscheint.

Auch über ganz reduzierte Werke kann man sinnreich reflektieren.

Frau Licht: „Das Schwarz ist ver-haftet, es ist wie verklebt miteinander, wobei man nicht erkennen aber sehr wohl ahnen kann, wo die einzelnen Konturen miteinander verschmelzen. Während das Rot regelrecht zerspringt. Es mach neugierig. Was geschieht da? Es ist ungeordnet und man weiß nicht, wohin seine Entwicklung geht. Wobei es auch unruhig macht -Angst macht es nicht-, vielmehr Neugierde, in welche Richtung wird die Entwicklung weiter verlaufen?“

Robin Rhode: „Car on Bricks“. Frau Licht: „Was bleibt ist die Erinnerung“.

Sol de Witt (weder mit Katharina noch mit Julia verwandt oder verschwägert): „Walldrawing“.

Das motiviert zum Mitmachen. Man will sofort den Bleistift aus der Tasche kramen und selbst ein paar Linien zufügen. MdM fragt, ob man als Interventionskünstler nicht ins Museum gehen könnte und dort als besondere Form der Kunst „Hand anlegen“ könnte? Klar gibt es das. Die Frage ist: ist das erlaubt, sollte das erlaubt sein, wo sind die Grenzen? Jonathan Meese hat ja sein Publikum aufgefordert, in die Galerie zu gehen und seine Werke selbst zu signieren. Was würde passieren, wenn das Publikum auf diese Weise vom Konsumenten zum Produzenten würde? Beispiel Roland Barthes: „Der Tod des Autors ist die Geburt des Lesers“.

„Das ist im Hier und Jetzt sein. Alles andere ist Theater im Kopf!“ Ute Licht

Hanne Darboven nimmt einen besonderen Platz in unseren Betrachtungen ein. Ihr Werk erscheint als kryptisch und hermetisch, es verwehrt sich der Interpretation durch den Betrachter. Trotzdem entwickelt sich beim Erforschen ihres „Archivs“ eine Atmosphäre des Interesses. Was steckt hinter allem, den Auflistungen, den geschlossenen und von Glasscheiben geschützten Büchern, den Fotos mit all den Notizen. Was will uns die Künstlerin sagen? Oder will sie überhaupt nur signalisieren, dass individuelle Ordnung ein Prinzip ist, das unsere Welt bestimmt und dass letztendlich jegliche Ordnung zu hinterfragen ist? Interessant erscheint Dr. Licht, dass sich im Glas der Exponate ein anderes Kunstwerk und der Betrachter selbst spiegelt. Hat der Kurator bzw. wahrscheinlich die Kuratorin dies bewusst arrangiert? Welchen Einfluss übt die Entscheidung der Kuratorin auf die Wahrnehmung der Kunstwerke im Museum aus?